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Mouhanad Khorchide

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Mouhanad Khorchide (2014)
Khorchide (2. v. l.) beim Podium Theologisches Forum Christentum Islam, 2010

Mouhanad Khorchide (arab. مُهَنَّد خُورْشِيد‎ Muhannad Churschid, DMG Muhannad Ḫūršīd, * 6. September 1971 in Beirut) ist ein österreichischer Soziologe, Islamwissenschaftler und Religionspädagoge. Er ist Professor für islamische Religionspädagogik am Centrum für Religiöse Studien (CRS) und Leiter des Zentrums für Islamische Theologie (ZIT)[1] an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.

Leben

Khorchides Großeltern waren aus Palästina in den Libanon geflohen, und seine Eltern zogen von dort weiter nach Saudi-Arabien, wo Mouhanad Khorchide zur Schule ging.[2] Er und seine Geschwister durften als Ausländer dort nicht studieren und lernten Deutsch, um später in Deutschland studieren zu können. Doch als Staatenlose erhielten sie kein Visum und entschieden sich dann für Österreich.

Mouhanad Khorchide kam 1989 als 18-Jähriger nach Wien, studierte Soziologie und wurde nach vier Jahren österreichischer Staatsbürger.[3] Neben seinem Erststudium begann er ein Fernstudium. Er flog einige Jahre lang regelmäßig für ein paar Wochen nach Beirut, wo er an der Universität Imam al-Auzāʿī[4] den Abschluss in islamischer Theologie machte.[5]

Von Dezember 2006 bis September 2008 war er Universitätsassistent an der Forschungseinheit Islamische Religionspädagogik an der Universität Wien. Seit 2007 war er Lehrbeauftragter für den privaten Studiengang für das Lehramt für Islamische Religion an Pflichtschulen. Zugleich war er im In- und Ausland wissenschaftlicher Mitarbeiter an verschiedenen Projekten. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind der Islam in Europa, islamischer Religionsunterricht in Europa, Muslime der zweiten Einwanderergeneration, koranische Hermeneutik sowie Islam und Aufklärung. Außerdem lehrte Khorchide in Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Khorchide war Imam einer kleinen Moschee in Wien-Ottakring und hat selbst als Religionslehrer gearbeitet.

Für seine Dissertation Der islamische Religionsunterricht zwischen Integration und Parallelgesellschaft: Einstellungen der islamischen ReligionslehrerInnen an öffentlichen Schulen[6] von 2008 befragte Khorchide rund die Hälfte der 400 islamischen Religionslehrer in Österreich. Eine bedeutende Minderheit der Befragten lehnte demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien ab.[7] Als Reaktion in der Politik gab es Forderungen in allen Parteien nach strengeren Regeln. Die Islamische Glaubensgemeinschaft wehrte sich und sprach von „Diffamierungen“.[8]

Khorchide hat seit dem 20. Juli 2010 als Nachfolger von Sven Kalisch die Professur für Islamische Religionspädagogik inne, mit der die Universität Münster seit Herbst 2010 islamische Religionslehrer ausbildet.[5][9]

Khorchide ist der Herausgeber eines seit Herbst 2018 im Herder-Verlag erscheinenden, auf insgesamt 17 Bände angelegten historisch-kritischen Koran-Kommentars.[10]

Positionen und Kontroversen

Khorchide stellte in seinem 2012 erschienenen Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ seine Vision von einem modernen, aufgeklärten Islam vor: Eine humanistische Religion, die vor allem von Gottesbarmherzigkeit, Gottesliebe und Freiheit geprägt sei. Khorchide liest den Koran als ein Buch aus dem siebten Jahrhundert, dessen einzelne Gebote nicht mehr wörtlich ins heutige Leben übertragen werden können. Er tritt für eine historisch-kritische Koranexegese ein. Trotzdem würden bei solch einer Auslegung die Kernbotschaften des Propheten Mohammed erhalten bleiben.[11]

Ende 2013 protestierten muslimische Verbände (darunter der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion und der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland) gegen Khorchide, dessen historisch-kritische Methode und Thesen zur Barmherzigkeit sie ablehnen.[12] Ihrer Ansicht nach genügten Khorchides theologische Positionen weder wissenschaftlichen Ansprüchen, noch gingen sie mit seiner Selbstverpflichtung zu einer bekenntnisgebundenen Islamtheologie konform. Dadurch sei das Vertrauen der organisierten Muslime in seine Arbeit beschädigt.[13][14]

Weil Khorchide Morddrohungen erhielt, stand er unter Polizeischutz.[15]

Werke

Als Autor:

  • Der islamische Religionsunterricht zwischen Integration und Parallelgesellschaft. Einstellungen der islamischen ReligionslehrerInnen an öffentlichen Schulen. VS, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-16493-9 (Dissertation, Universität Wien, 2008).
  • Islam ist Barmherzigkeit. Grundzüge einer modernen Religion. Herder, Freiburg im Breisgau 2012, ISBN 978-3-451-30572-6.
  • Scharia – der missverstandene Gott. Der Weg zu einer modernen islamischen Ethik. Herder, Freiburg im Breisgau 2013, ISBN 978-3-451-30911-3.
  • Gott glaubt an den Menschen: Mit dem Islam zu einem neuen Humanismus. Herder, Freiburg im Breisgau 2015
  • mit Hamed Abdel-Samad: Zur Freiheit gehört, den Koran zu kritisieren. Herder, 2016, ISBN 978-3-451-27146-5.
  • mit Hamed Abdel-Samad: Ist der Islam noch zu retten?: Eine Streitschrift in 95 Thesen. Droemer, 2017, ISBN 978-3-426-27734-8.
  • Gottes falsche Anwälte. Der Verrat am Islam, Verlag Herder, 2020

Als Herausgeber:

  • Miteinander auf dem Weg. Islamischer Religionsunterricht. Klett, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-12-006030-7.
  • mit Klaus von Stosch: Herausforderungen an die islamische Theologie in Europa. Challenges for Islamic theology in Europe. Herder, Freiburg im Breisgau 2012, ISBN 978-3-451-30712-6.
  • mit Marco Schöller: Das Verhältnis zwischen Islamwissenschaft und islamischer Theologie. Beiträge der Konferenz Münster, 1.–2. Juli 2011. Agenda, Münster 2012, ISBN 978-3-89688-484-8.
  • mit Milad Karimi, Klaus von Stosch: Theologie der Barmherzigkeit? Zeitgemäße Fragen und Antworten des Kalām (= Schriftenreihe Graduiertenkolleg Islamische Theologie. Bd. 1). Waxmann, Münster 2014, ISBN 978-3-8309-2981-9
  • mit Milad Karimi: Jahrbuch für Islamische Theologie und Religionspädagogik. Kalam Verlag, Freiburg (seit 2012). ISBN 978-3-9815572-0-6

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Zentrum für Islamische Theologie: Personen Hauptseite. Abgerufen am 14. Oktober 2018.
  2. Ein Mann in heikler Mission. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 31. August 2010, abgerufen am 25. Mai 2012.
  3. Karriere eines Verstoßenen. In: Die Zeit. 13. März 2012, abgerufen am 25. Mai 2012.
  4. Jocelyne Cesari: The Oxford Handbook of European Islam (Oxford Handbooks in Religion and Theology). 2014, S. 139 (Online-Teilansicht)
  5. 5,0 5,1 Heikler Job für einen Prof. In: Die Zeit. 20. Mai 2010, abgerufen am 23. September 2013.
  6. Der islamische Religionsunterricht zwischen Integration und Parallelgesellschaft: Einstellungen der islamischen ReligionslehrerInnen an öffentlichen Schulen. In: Österreichische Nationalbibliothek. Abgerufen am 23. September 2013.
  7. Die Islamlehrer. Eine neue Studie enthüllt das autoritäre und undemokratische Weltbild muslimischer Religionslehrer. In: Falter.at. 27. Januar 2009, abgerufen am 23. September 2013.
  8. Regierung lässt die Vorwürfe gegen Islam-Lehrer nochmals prüfen. In: Nachrichten.at. 31. Januar 2009, abgerufen am 23. September 2013.
  9. Khorchide bildet in Münster künftig Religionslehrer aus. In: Die Welt. 20. Juli 2010, abgerufen am 23. September 2013.
  10. Herder verlegt historisch-kritischen Koran-Kommentar, deutschlandfunkkultur.de, 12. Oktober 2018, abgerufen am 13. Oktober 2018.
  11. Johanna Grillmayer: Das sanfte Gesicht des Islam. In: ORF. Abgerufen am 23. September 2013.
  12. Oliver Trenkamp: Streit um Islamgelehrten: Muslimische Verbände attackieren Theologen Khorchide. In: Spiegel Online. 18. Dezember 2013.
  13. Koordinierungsrat der Muslime: Stellungnahme mit Gutachten des KRM zum Münsteraner Islamlehrstuhlinhaber Mouhanad Khorchide. (Memento vom 3. Mai 2014 im Internet Archive) Pressemitteilung. 17. Dezember 2013.
  14. "Islamische Theologie an deutschen Hochschulen", in Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration: Viele Götter, ein Staat: Religiöse Vielfalt und Teilhabe im Einwanderungsland. Jahresgutachten 2016, S. 116–118 (PDF, 5,3 MB).
  15. Vgl. Burkhard Schäfers: „Theologie gegen den Terror“, ZEIT-Online, 3. Dez. 2015


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