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Kyot
Kyot war nach Wolfram von Eschenbach ein provenzalischer Trobador, dem er die Quelle für seine Parzival-Dichtung verdankt. Da Kyot historisch weiter nicht fassbar ist, wird er zumeist für eine reine Erfindung Wolframs gehalten. Gelegentlich wird er auch mit dem aus Provins in der Champagne stammenden, damals sehr bekannten nordfranzösischen Trouvère Guyot oder Guiot de Provins (* um 1150; † nach 1208) identifiziert, der vermutlich Dutzende Lieder verfasste, von denen aber nur sechs erhalten sind. Er schrieb auch zwei moralische Satiren, von denen La Bible Guiot (Bible bedeutet hier schlicht „Satire“) die bekanntere ist. Eine „Parzval“-Dichtung ist von ihm allerdings nicht bekannt, weshalb seine Identifizierung mit Wolframs Kyot zunehmend als unwahrscheinlich angesehen wird. In Umberto Ecos Roman „Baudolino“ taucht Guiot, vermischt mit den Zügen Kyots, als Begleiter des Titelhelden auf.
Wolfram erwähnt Kyot ganz unvermittelt erst im 8. Buch (416, 21-30) seiner Parzival-Dichtung und erzählt seine Geschichte dann im 9. Buch ausführlicher (453, 5 - 455, 22).
Kyôt ist ein Provenzâl, |
Kiot ist ein Provenzal, |
In Toledo habe Kyot ein vergessenes arabisches Manuskript von Flegetanis, einem muslimischen Astronomen und Nachkommen Salomons gefunden, der die Geheimnisse des Heiligen Grals in der Sternenschrift gelesen habe. Nachdem er die arabische Sprache erlernt und die Handschrift entziffert hatte, sei er durch ganz Europa gereist, um mehr über den Gral zu erfahren. Dabei sei er in Anjou auf die Geschichte Parzivals gestoßen. Überdies habe ihn Kyot gebeten, seinen Namen erst an der rechten Stelle zu offenbaren.
453, 5 |
Die Sternenschrift und die Gralsschale
Erst durch Kyots Hinweis auf die Sternenschrift konnte Rudolf Steiner das Geheimnis der Gralsschale enthüllen:
„Man weiß oft nicht einmal, daß sich irgend etwas, was man bekommt aus den Tiefen der okkulten Welt heraus, auf irgendein Problem bezieht, das man jahrelang verfolgt. So wußte ich nichts Rechtes damit anzufangen, als ich den norwegischen Volksgeist, den nordischen Volksgeist einmal befragte über den Parzival und er sagte: Lerne verstehen das Wort, das durch meine Kraft geflossen ist in die nordische Parzivalsage: «Ganganda greida» — die herumlaufende Labung etwa — so ähnlich! Ich wußte nichts damit anzufangen. Und wiederum wußte ich nichts damit anzufangen, als ich einmal aus der römischen Peterskirche kam unter dem Eindruck jenes Michelangeloschen Werkes, das man gleich zur rechten Seite findet, der Mutter mit dem Jesus, der so jung noch aussehenden Mutter mit dem bereits toten Jesus im Schoße. Und unter der Nachwirkung — das ist eine solche Führung — des Anschauens dieses Kunstwerkes kam, nicht wie eine Vision, sondern wie eine wahre Imagination aus der geistigen Welt heraus, das Bild, das eingeschrieben ist in die Akasha-Chronik und das uns zeigt, wie Parzival, nachdem er zum erstenmal weggeht von der Gralsburg, wo er nicht gefragt hatte nach den Geheimnissen, die dort walten, im Walde auf eine junge Frau trifft, die den Bräutigam im Schöße hält und ihn beweint. Aber ich wußte, meine lieben Freunde, daß das Bild, ob es nun die Mutter ist oder die Braut, der der Bräutigam weggestorben ist — oftmals wird der Christus der Bräutigam genannt —, eine Bedeutung habe und daß der Zusammenhang, der sich wahrhaftig ohne mein Zutun hinstellte, eine Bedeutung habe.“ (Lit.:GA 149, S. 83f)
„Da ist es eben, daß er den Gral findet, kurz oder unmittelbar vor dem Tode des alten Amfortas, des Fischerkönigs. Dann ist es, daß ihm die Ritterschaft des heiligen Gral, die heilige Ritterschaft entgegenkommt mit den Worten: Dein Name erglänzt im Gral! Du bist der künftige Herrscher, der König des Gral, denn dein Name ist von der heiligen Schale erglänzend erschienen! — Parzival wird Gralskönig. Also es steht der Name Parzival auf der heiligen, goldglänzenden Schale, in der eine Hostie ist. Da steht er drauf.
Und nun, da es sich mir darum handelte, die Schale zu finden, da wurde ich zunächst irregeführt, durch einen gewissen Umstand irregeführt, meine lieben Freunde. Es ist — ich sage das in aller Bescheidenheit, nicht um irgendwie damit etwas Unbescheidenes auszudrücken —, es ist mir immer notwendig erschienen bei der okkulten Forschung, nicht nur zu berücksichtigen, was sich unmittelbar aus okkulten Quellen heraus ergibt, sondern, wenn es sich um ein ernstes Problem handelt, zu berücksichtigen das, was die äußere Forschung zutage gefördert hat. Und das ist überhaupt gut, so scheint es mir, wenn man nicht nachläßt, bei der Verfolgung eines Problems wirklich gewissenhaft alles das zu Rate zu ziehen, was die äußere Gelehrsamkeit zu sagen hat, damit man sozusagen auf der Erde bleibt, nicht ganz sich verliert im Wölkenkuckucksheim. Hier war es, daß diese exoterische Gelehrsamkeit mich irregeführt hat. Gerade durch das, was sie zutage gefördert hat, hat sie mich vom rechten Pfad zunächst — vor längerer Zeit eben schon — abgelenkt; denn aus dieser exoterischen Forschung konnte ich ersehen, daß Wolfram von Eschenbach, als er seinen Parzival — so sagt diese exoterische Forschung — anfing zu dichten, nach seinen eigenen Aussprüchen benutzt hat jenen Chrestien de Troyes und einen gewissen Kyot. Dieser Kyot ist von der äußeren exoterischen Forschung nicht aufzufinden, und sie hält ihn daher für eine Erfindung des Wolfram von Eschenbach, gleichsam als wenn Wolfram von Eschenbach für das viele, was er hinzufügt zu dem, was er in Chrestien de Troyes findet, noch eine andere Quelle hätte finden wollen. Höchstens das eine will die äußere Wissenschaft zugeben, daß dieser Kyot ein Abschreiber war der Werke Christians von Troyes und daß Wolfram von Eschenbach eben diese Sache dann in einer etwas phantasievollen Weise ausgebaut habe.
Sie sehen, wozu einen diese äußere Forschung führen muß. Sie muß einen dazu führen, mehr oder weniger abzusehen von dem Wege, der über jenen Kyot führt, denn er wird von der äußeren Forschung eigentlich als eine Erfindung des Wolfram von Eschenbach angesehen.“ (S. 87f)
„Und als ich dann zu begleiten versuchte im Geist den Parzival, als er nach dem Aufenthalt bei dem Klausner wieder zum Grale zog, da war es mir oftmals, als ob in der Seele aufglänzte, wie er dahinritt bei Tag und bei Nacht und wie er hingegeben war der Natur bei Tag und den Sternen bei Nacht, als ob in sein Unbewußtes hereingesprochen hätte die Sternenschrift und als ob diese Sternenschrift nur eine Vorherverkündigung wäre von dem, was ihm die heilige Ritterschaft, die ihm vom Gral entgegenkam, sagte: «Vom heiligen Gral erglänzt dein Name leuchtend.» Aber Parzival wußte offenbar nichts zu machen mit dem, was ihm aus den Sternen herunter erschien, denn es blieb in seinem Unbewußten, und daher kann man es auch nicht so recht deuten, wenn man auch noch so sehr versucht, durch geisteswissenschaftliche Forschung sich hineinzuvertiefen.
Dann versuchte ich noch einmal zurückzukommen auf den Kyot, und siehe da: Besonders eines, was Wolfram von Eschenbach von ihm sagt, machte einen tiefen Eindruck, und ich mußte es zusammenbringen mit dem «Ganganda greida». Es stellte sich selber zusammen. Ich mußte es auch zusammenbringen mit dem Bilde des Weibes, das den Bräutigam, den toten, im Schoße hält. Es war einmal, als ich, wie gar nicht suchend, auf dieses Wort stieß, das von Kyot gesagt wird. Das Wort heißt: «er jach, ez hiez ein dinc der grâl» — er sagte, ein Ding hieß der Gral. Und dann werden wir verwiesen durch die exoterische Forschung selber, wie er kam zu dem: er jach, ez hiez ein dinc der grâl. Er bekam ein Buch in die Hand von Flegetanis in Spanien. Das ist ein astrologisches Buch. Kein Zweifel, man darf sich sagen: Kyot ist sogar der, der angeregt durch den Flegetanis — einen, den er Flegetanis nennt und in dem gewissermaßen etwas auflebt von der Kenntnis der Sternenschrift —, angeregt also durch diese wiederauflebende Astrologie, das Ding sieht, das der Gral heißt. Jetzt wußte ich, daß der Kyot nicht aufzugeben ist, daß er gerade eine wichtige Spur erschließt, wenn man geisteswissenschaftlich forscht: daß er also wenigstens den Gral gesehen hat.
Wo also ist der Gral, der heute so gefunden werden muß, daß darauf steht der Name des Parzival, wo ist er zu finden? Nun, Sie sehen, im Verlaufe meiner Forschung hat sich mir ergeben, daß er in der Sternenschrift gesucht werden muß — zunächst der Name —. Und dann ergab es sich mir eines Tages, den ich als einen für mich besonders bedeutsamen ansehen muß, wo die goldglänzende Schüssel in ihrer Realität zu finden ist; zunächst so, daß wir durch sie — da, wo sie sich durch ihr Sternenschriftsymbolum ausdrückt — geführt werden auf das Geheimnis des Gral. Und da sah ich denn in der Sternenschrift dasjenige, was jeder sehen kann — nur findet er zunächst nicht das Geheimnis der Sache. Denn eines Tages erglänzte mir, als ich mit innerem Schauen verfolgte die goldglänzende Mondsichel, wenn sie am Himmel so erscheint, daß der dunkle Mond darin wie eine große Scheibe schwach sichtbar ist, so daß man schaut äußerlich-physisch den goldglänzenden Mond — Ganganda greida, die hinwandelnde Wegzehrung — und darin die große Hostie, die dunkle Scheibe, das, was man nicht sieht vom Monde, wenn man nur oberflächlich hinschaut, was man sieht, wenn man genauer hinschaut. Denn dann sieht man die dunkle Scheibe, und in wunderbaren Lettern der okkulten Schrift auf der Mondessichel — den Namen Parzival! Das, meine lieben Freunde, war zunächst die Sternenschrift. Denn in der Tat, im richtigen Licht gesehen, ergibt dieses Lesen der Sternenschrift für unser Herz und unseren Sinn etwas — wenn vielleicht auch noch nicht alles — von dem Parzival-Geheimnis, von dem Geheimnis des heiligen Gral.“ (S. 90ff)
Literatur
- Wolfram von Eschenbach, Karl Simrock (Übers.): Parzival und Titurel. 2 Bände, Stuttgart 1862 pdf
- Wolfram von Eschenbach, Karl Lachmann (Hrsg.), Parzival, 5. Auflage, Berlin 1891 pdf
- Rudolf Steiner: Christus und die geistige Welt. Von der Suche nach dem heiligen Gral, GA 149 (2004), ISBN 3-7274-1490-1 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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