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Friedrich Wilhelm Joseph Schelling

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Friedrich Wilhelm Schelling, Gemälde von Christian Friedrich Tieck, ca. 1800
Friedrich Wilhelm Schelling, Gemälde von Joseph Karl Stieler, 1835
Friedrich Schelling, Daguerreotypie von Hermann Biow, Berlin, 1848

Friedrich Wilhelm Joseph Ritter von Schelling (* 27. Januar 1775 in Leonberg, Herzogtum Württemberg; † 20. August 1854 in Bad Ragaz im Kanton St. Gallen in der Schweiz) war ein deutscher Philosoph und einer der Hauptvertreter des Deutschen Idealismus. 1812 wurde er in den Adelsstand erhoben.

Schelling und die Anthroposophie

Wie Fichte und Hegel wird von Rudolf Steiner der junge Schelling als Idealist positiv bewertet. Den Mystizismus des späten Schellings beurteilte der junge Steiner ungünstiger, der spätere Steiner jedoch positiv. [1].

"Schelling tritt fast fichtisch auf, nicht mit solcher Kraft, aber mit solcher Gedankenart. Wir sehen aber sehr bald, daß sich Schellings Geist erweitert. Geradeso wie Fichte von Ich und Nicht-Ich und von allerlei ähnlichem Abstrakten redet, redet auch Schelling in seiner Jugend, begeistert damit auch in Jena die Leute. Aber ihn verläßt das alsobald, der Geist erweitert sich, und wir sehen in ihn einziehen, wenn auch phantasie-gestaltete, aber wiederum fast nach Imaginationen hinzielende Vorstellungen. Es geht eine Weile weiter, dann vertieft er sich in solche Geister wie Jakob Böhme, beschreibt etwas, was dem ganzen Ton und Stile nach ganz verschieden ist von seiner früheren Wirksamkeit: die Grundlage der menschlichen Freiheit, eine Art Auferweckung der Ideen Jakob Böhmes. Wir sehen dann, wie in Schelling der Platonismus fast auflebt. Ein Weltanschauungsgespräch «Bruno» verfaßt er, das wirklich an Piatos Gespräche erinnert, das sehr eindringlich ist. Interessant ist auch ein anderes Schriftchen, «Clara», worinnen die übersinnliche Welt eine große Rolle spielt.

Dann schweigt Schelling furchtbar lange. Er wird von seinen Mit-Philosophen, ich möchte sagen, für einen Lebendig-Toten gehalten und veröffentlicht dann nur die außerordentlich bedeutsame Schrift über die Samothrakischen Mysterien, — wiederum Erweiterung seines Geistes. Er lebt aber vorerst noch in München, bis ihn der König von Preußen beruft, an der Berliner Universität diejenige Philosophie vorzutragen, von der Schelling sagt, daß er sie in der Stille seiner Einsamkeit durch die Jahrzehnte hindurch erarbeitet habe. Und jetzt tritt Schelling in Berlin auf mit derjenigen Philosophie, die dann in seinen nachgelassenen Werken als «Philosophie der Mythologie» und als «Philosophie der Offenbarung» enthalten ist. Er macht keinen großen Eindruck auf das Berliner Publikum, denn der Tenor dessen, was er in Berlin redet, ist doch eigentlich der: Mit allem Nachdenken bringt der Mensch es zu gar nichts in bezug auf die Weltanschauungen; es muß etwas in die Menschenseele hineinkommen, was als wirkliche geistige Welt das Nachdenken durchlebt. Da erscheint plötzlich statt der alten rationalistischen Philosophie bei Schelling ein Wiedererwecken der alten Götterphilosophie, der Mythologie, ein Wiedererwecken der alten Götter, und zwar in einer auf der einen Seite ganz modernen Weise; aber aus allem sieht man: Da wirkt nach alte Geistigkeit. Es ist ganz merkwürdig [...]

Und so konnte man das folgende Bild haben: Sagen wir, zunächst unten in der physischen Welt den durch seine mannigfachen Lebensschicksale gehenden Schelling, der, wie ich gesagt habe, unter diesen Schicksalen eine lange Einsamkeit hatte, der in der mannigfaltigsten Weise behandelt wurde von seinen Mitmenschen, zuweilen mit riesiger, großartiger Begeisterung, zuweilen verhöhnt, verspottet, dieser Schelling, der eigentlich immer einen bedeutsamen Eindruck machte, wenn er wieder persönlich auftrat, er, der kurze, gedrungene Mann mit dem ungeheuer ausdrucksvollen Kopfe, den im spätesten Alter noch funkelnden, feuerfunkelnden Augen, aus denen das Feuer der Wahrheit sprach, das Feuer der Erkenntnis, dieser Schelling, man kann ganz deutlich sehen, je mehr man auf ihn eingeht: er hat Momente, wo Inspiration von oben in ihn hereinfällt." (Lit.: GA 238, S. 97ff)

Schelling und Tycho de Brahe

Laut Rudolf Steiner wurde Schelling von der geistigen Individualität Tycho de Brahes inspiriert. Ähnliche Impulse empfing auch der Philosoph und Theologe Jakob Frohschammer:

„Da, als ich Schelling wirklich nun in seinem biographischen Werdegang verfolgen konnte, aber nicht deutlich — klar wurde das erst viel, viel später, als ich meine «Rätsel der Philosophie» geschrieben habe - , da konnte ich — wie gesagt, nicht ganz deutlich — wahrnehmen, wie vieles in Schellings Schriften eigentlich von ihm nur unter Inspiration niedergeschrieben ist, und daß der Inspirierende Julian Apostata-Herzeloyde-Tycho de Brahe ist, der nicht wieder selber auf dem physischen Plane erschienen ist, aber durch Schellings Seele ungeheuer viel gewirkt hat. Und dabei wurde ich gewahr, daß gerade dieser Tycho de Brahe in einer eminent starken Weise nach seinem Tycho de Brahe-Dasein fortgeschritten ist. Durch Schellings Leiblichkeit konnte ja nur wenig durchgehen. Aber wenn man das einmal weiß, daß da Tycho de Brahes Individualität als inspirierend über Schelling schwebt, und dann die genialen Blitze in den «Gottheiten von Samothrake», die genialen Blitze namentlich am Schlüsse der «Philosophie der Offenbarung» liest, mit der in ihrer Art doch großartigen Interpretation Schellings der alten Mysterien, und namentlich wenn man sich in die Sprache, die Schelling da führt, in die so merkwürdige Sprache vertieft, dann hört man bald nicht Schelling reden, sondern Tycho de Brahe. Und dann wird man eben gewahr, wie unter anderen Geistern gerade dieser Tycho de Brahe, der ja auch als Individualität in Julian Apostata war, viel dazu beigetragen hat, daß manches heraufgekommen ist im neueren Geistesleben, was dennoch wiederum so anregend gewirkt hat, daß wenigstens die äußeren Formen des Ausdruckes für das anthroposophisch Geartete manchmal davon hergenommen sind.“ (Lit.:GA 238, S. 101f)

Philosophie

"Wie ein Lichtblitz, der innerhalb der Weltanschauungsentwickelung erhellend nach rückwärts und vorwärts wirkt, erscheint ein Satz, den Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775—1854) in seiner «Naturphilosophie» ausgesprochen hat: «Über die Natur philosophieren heißt soviel als die Natur schaffen.» Wovon Goethe und Schiller durchdrungen waren: daß die produktive Phantasie ihren Anteil bei Erschaffung der Weltanschauung haben müsse, dem gibt dieser Satz einen monumentalen Ausdruck. Was die Natur uns freiwillig gibt, wenn wir sie beobachten, anschauen, wahrnehmen: das enthält nicht ihren tiefsten Sinn. Diesen Sinn kann der Mensch nicht von außen aufnehmen. Er muß ihn schaffen.

Zu solchem Schaffen war Schellings Geist besonders veranlagt. Bei ihm strebten alle Geisteskräfte nach der Phantasie hin. Er ist ein erfinderischer Kopf ohnegleichen. Aber seine Einbildungskraft bringt nicht Bilder hervor, wie die künstlerische, sondern Begriffe und Ideen. Durch diese seine Geistesart war er dazu berufen, die Gedankengänge Fichtes fortzusetzen. Dieser besaß die produktive Phantasie nicht. Er war mit seiner Wahrheitsforderung bis zum seelischen Zentrum des Menschen gelangt, bis zum «Ich». Wenn dieses der Quellpunkt sein soll für die Weltanschauung, so muß derjenige, der auf diesem Standpunkte steht, auch in der Lage sein, vom Ich aus zu inhaltvollen Gedanken über die Welt und das Leben zu gelangen. Das kann nur mit Hilfe der Einbildungskraft geschehen... Er fordert da für denjenigen, der zu einer Weltanschauung kommen will, «ein ganz neues inneres Sinneswerkzeug, durch welches eine neue Welt gegeben wird, die für den gewöhnlichen Menschen gar nicht vorhanden ist»... Schelling sieht in den Gedanken, die ihm seine Phantasie vor die Seele stellt, die Ergebnisse dieses höheren Sinnes, den er intellektuelle Anschauung nennt. Ihn, der also in dem, was der Geist über die N a t u r aussagt, ein Erzeugnis sieht, das der Geist schafft, mußte vor allen Dingen die Frage interessieren: Wie kann das, was aus dem Geiste stammt, doch die wirkliche, in der N a t u r waltende Gesetzmäßigkeit sein? Er wendet sich mit scharfen Ausdrücken gegen diejenigen, welche glauben, daß wir unsere Ideen «auf die Natur nur übertragen», denn «sie haben keine Ahnung davon, was uns die Natur ist und sein soll, ... Denn wir wollen nicht, daß die Natur mit den Gesetzen unseres Geistes zufällig (etwa durch Vermittelung eines Dritten) zusammentreffe, sondern, daß sie selbst notwendig und ursprünglich die Gesetze unseres Geistes - nicht nur ausdrücke, sondern selbst realisiere und daß sie nur insofern Natur sei und Natur heiße, als sie dies tut. ... Die Natur soll der sichtbare Geist, der Geist die unsichtbare Natur sein. Hier also, in der absoluten Identität des Geistes in uns und der N a t u r außer uns, muß sich das Problem, wie eine Natur außer uns möglich sei, auflösen.» Natur und Geist sind also überhaupt nicht zwei verschiedene Wesenheiten, sondern eine und dieselbe Wesenheit in zwei verschiedenen Formen [...]

Nun gibt es zwei Möglichkeiten, das eine Wesen, das Geist und Natur zugleich ist, zu beschreiben. Die eine ist: ich zeige die Naturgesetze auf, die in Wirklichkeit tätig sind. Oder ich zeige, wie der Geist es macht, um zu diesen Gesetzen zu kommen. Beide Male leitet mich eines und dasselbe. Das eine Mal zeigt mir die Gesetzmäßigkeit, wie sie in der Natur wirksam ist; das andere Mal zeigt mir der Geist, was er beginnt, um sich dieselbe Gesetzmäßigkeit vorzustellen. In dem einen Falle treibe ich Natur-, in dem anderen Geisteswissenschaft. Wie diese beiden zusammengehören, beschreibt Schelling in anziehender Weise: «Die notwendige Tendenz aller Naturwissenschaft ist, von der Natur aufs Intelligente zu kommen. Dies und nichts anderes liegt dem Bestreben zugrunde, in die Naturerscheinungen Theorie zu bringen. Die höchste Vervollkommnung der Naturwissenschaft wäre die vollkommene Vergeistigung aller Naturgesetze zu Gesetzen des Anschauens und des Denkens. Die Phänomene (das Materielle) müssen völlig verschwinden und nur die Gesetze (das Formelle) bleiben. Daher kommt es, daß, je mehr in der Natur selbst das Gesetzmäßige hervorbricht, desto mehr die Hülle verschwindet, die Phänomene selbst geistiger werden und zuletzt völlig aufhören. Die optischen Phänomene sind nichts anderes als eine Geometrie, deren Linien durch das Licht gezogen werden, und dieses Licht selbst ist schon zweideutiger Materialität. In den Erscheinungen des Magnetismus verschwindet schon alle materielle Spur, und von den Phänomenen der Schwerkraft, welche selbst Naturforscher nur als unmittelbar geistige Einwirkung» - Wirkung in die Ferne - «begreifen zu können glaubten, bleibt nichts zurück als ihr Gesetz, dessen Ausführung im großen der Mechanismus der Himmelsbewegungen ist. Die vollendete Theorie der Natur würde diejenige sein, kraft welcher die ganze Natur sich in eine Intelligenz auflöste [...]

In ein kunstvolles Netz von Gedanken spann Schelling die Tatsachen der Natur ein, so daß alle ihre Erscheinungen wie ein idealer harmonischer Organismus vor seiner schaffenden Phantasie standen. Er war beseelt von dem Gefühl, daß die Ideen, die in seiner Phantasie erscheinen, auch die wahren schöpferischen Kräfte der Naturvorgänge seien [...]

Mit seinem fortschreitenden Denken wurde für Schelling die Weltbetrachtung zur Gottesbetrachtung oder Theosophie. Vollständig stand er schon auf dem Boden einer solchen Gottesbetrachtung, als er 1809 seine «Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände» herausgab. Alle Weltanschauungsfragen rückten sich ihm jetzt in ein neues Licht. Wenn alle Dinge göttlich sind: wie kommt es, daß es Böses in der Welt gibt, da Gott doch nur die vollkommene Güte sein kann? [...]

Die Folge der Dinge aus Gott ist eine Selbstoffenbarung Gottes. Gott aber kann nur sich offenbar werden in dem, was ihm ähnlich ist, in freien, aus sich selbst handelnden Wesen; für deren Sein es keinen Grund gibt als Gott, die aber sind, so wie Gott ist.» Wäre Gott ein Gott des Toten und alle Welterscheinungen nur ein Mechanismus, dessen Vorgänge auf ihn als ihren Beweger und Urgrund zurückzuführen wären, so brauchte man nur die Tätigkeit Gottes zu beschreiben, und man hätte alles innerhalb der Welt begriffen. Man könnte aus Gott heraus alle Dinge und ihre Tätigkeit verstehen. Das ist aber nicht der Fall. Die göttliche Welt hat Selbständigkeit. Gott hat sie geschaffen, aber sie hat ihr eigenes Wesen. So ist sie göttlich; aber das Göttliche erscheint innerhalb einer Wesenheit, die von Gott unabhängig ist, innerhalb eines Nichtgöttlichen. So wie das Licht aus der Dunkelheit heraus geboren ist, so die göttliche Welt aus dem ungöttlichen Dasein. Und aus dem Ungöttiichen stammt das Böse, stammt das Selbstsüchtige. Gott hat also die Gesamtheit der Wesen nicht in seiner Gewalt; er kann ihnen das Licht geben; sie selbst aber tauchen aus der dunklen Nacht empor. Sie sind die Söhne dieser Nacht. Und was an ihnen Dunkelheit ist, über das hat Gott keine Macht. Sie müssen sich durch Nacht zum Licht emporarbeiten. Das ist ihre Freiheit. Man kann auch sagen, die Welt ist Gottes Schöpfung aus dem Ungöttlichen heraus. Das Ungöttliche ist also das Erste und das Göttliche erst das Zweite [...]

Ein Gott, der lautere, reine Vernunft ist, erscheint wie personifizierte Mathematik; ein Gott dagegen, der bei seinem Weltschaffen nicht nach der reinen Vernunft verfahren kann, sondern fortwährend mit dem Ungöttlichen zu kämpfen hat, kann als «ein ganz persönliches, lebendiges Wesen angesehen werden». Sein Leben hat die größte Analogie mit dem menschlichen. Wie der Mensch das Unvollkommene in sich zu überwinden sucht und einem Ideal der Vollkommenheit nachstrebt: so wird ein solcher Gott als ein ewig kämpfender vorgestellt, dessen Tätigkeit die fortschreitende Überwindung des Ungöttlichen ist [...]

Ein persönlicher Gott, wie ihn Schelling in seiner späteren Zeit vorstellte, ist unberechenbar. Denn er handelt nicht nach der Vernunft allein. Bei einem Rechenexempel können wir das Ergebnis durch bloßes Denken vorausbestimmen; bei dem handelnden Menschen nicht. Bei ihm müssen wir abwarten, zu welcher Handlung er sich in einem gegebenen Augenblicke entschließen wird. Die Erfahrung muß zu dem Vernunftwissen hinzutreten. Die reine Vernunftwissenschaft genügte daher Schelling nicht zur Weltoder Gottesanschauung. Alles aus der Vernunft Gewonnene nennt er daher in der späteren Gestalt seiner Weltanschauung ein negatives Wissen, das durch ein positives ergänzt werden muß. Wer den lebendigen Gott erkennen will, darf sich nicht bloß den notwendigen Vernunftschlüssen überlassen; er muß sich mit seiner ganzen Persönlichkeit versenken in das Leben Gottes. Dann wird er ’’erfahren’’, was ihm keine Schlüsse, keine reine Vernunft geben können. Die Welt ist nicht eine notwendige Wirkung der göttlichen Ursache, sondern eine freie Tat des persönlichen Gottes. Was Schelling nicht durch vernünftige Betrachtung erkannt, sondern als freie, unberechenbare Taten Gottes erschaut zu haben glaubte, das hat er in seiner «Philosophie der Offenbarung» und seiner «Philosophie der Mythologie» dargelegt. Beide Werke hat er nicht mehr selbst veröffentlicht, sondern ihren Inhalt nur den Vorlesungen zugrunde gelegt, die er an der Universität zu Berlin gehalten hat, nachdem ihn Friedrich Wilhelm IV. in die preußische Hauptstadt berufen hatte. Sie sind erst nach Schellings Tode (1854) veröffentlicht worden. " (Lit.: GA 018, S. 212ff)

"Schelling sagt: Die Natur erkennen, heißt die Natur schaffen. - Wer diese Worte des kühnen Naturphilosophen wörtlich nimmt, wird wohl zeitlebens auf alles Naturerkennen verzichten müssen. Denn die Natur ist einmal da, und um sie ein zweites Mal zu schaffen, muß man die Prinzipien erkennen, nach denen sie entstanden ist. Für die Natur, die man erst schaffen wollte, müßte man der bereits bestehenden die Bedingungen ihres Daseins abgucken. Dieses Abgucken, das dem Schaffen vorausgehen müßte, wäre aber das Erkennen der Natur, und zwar auch dann, wenn nach erfolgtem Abgucken das Schaffen ganz unterbliebe. Nur eine noch nicht vorhandene Natur könnte man schaffen, ohne sie vorher zu erkennen.

Was bei der Natur unmöglich ist: das Schaffen vor dem Erkennen; beim Denken vollbringen wir es. Wollten wir mit dem Denken warten, bis wir es erkannt haben, dann kämen wir nie dazu. Wir müssen resolut darauf losdenken, um hinterher mittels der Beobachtung des Selbstgetanen zu seiner Erkenntnis zu kommen. Der Beobachtung des Denkens schaffen wir selbst erst ein Objekt. Für das Vorhandensein aller anderen Objekte ist ohne unser Zutun gesorgt worden." (Lit.: GA 004, S. 48f)

Über das Wesen der menschlichen Freiheit

"Gewiß, Jakob Böhme hat über Weltanschauungsfragen viel gelesen und auch auf andere Art durch die Bildungswege viel aufgenommen, die sich dem einfachen Volksmanne in der deutschen Entwickelung des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts boten; das Beste aber, das in Jakob Böhmes Schriften auf so ungelehrte Art pulsiert, ist volkstümlicher Erkenntnisweg, ist ein Ergebnis des Volksgemütes selber. Und Schelling hat heraufgehoben in die Art der denkerischen Betrachtung, was dieses Volksgemüt in Jakob Böhmes ungelehrter, aber erleuchteter Seele erschaut hat. Es gehört zu den herrlichsten Beobachtungen, die man in der Weltliteratur machen kann, Jakob Böhmes elementarische Gemütsanschauung durch die philosophische Sprache in Schell'mgs Abhandlung «Über das Wesen der menschlichen Freiheit» leuchten zu sehen. In dieser elementarischen Gemütsanschauung waltet die tiefsinnige Einsicht, daß niemand zu einer befriedigenden Weltanschauung kommen kann, der auf seinem Erkenntniswege nur die Mittel des denkenden Begreifens mitnimmt. In den Umkreis dessen, was denkendes Begreifen ist, schlägt aus den Weltentiefen etwas herein, das umfassender, mächtiger ist als dieses denkende Begreifen. Doch nicht mächtiger, als was die Seele in sich erleben kann, wenn ihr das denkende Begreifen nur als Glied ihres eigenen Wesens erscheint. Will man etwas begreifen, so muß man verstehen, wie es notwendig mit einem andern zusammenhängt. Die Dinge der Welt hängen aber wohl an ihrer Oberfläche, doch nicht im tiefsten Grunde ihres Wesens notwendig zusammen. In der Welt waltet Freiheit. Und nur der begreift die Welt, der in dem notwendigen Gange der Naturgesetze das Walten freier übersinnlicher Geistigkeit schaut. Die Freiheit als Tatsache kann immer mit logischen Gründen widerlegt werden. Wer das durchschaut, auf den macht keine Widerlegung der Freiheitsidee einen Eindruck. - Die urgesunde Erkenntnisart Jakob Böhmes, seine ursprüngliche volkssinngemäße Gemütserkenntnis schaute die Freiheit als durchwebend und durchwirkend alle Notwendigkeit, auch die naturgemäße. Und Schelling, von einer geistgemäßen Naturanschauung aufsteigend zur Geistesanschauung, fühlte sich im Einklang mit Jakob Böhme." (Lit.: GA 020, S. 43f)

Christologie

"Lehrte in Jena doch auch Schelling, der dann aus einem ähnlichen Streben wie Fichte sich wirklich durchrang, wie ich oftmals betonte, zu einer recht tiefen Auffassung des Christentums, ja des Mysteriums von Golgatha, der sich geradezu zu einer Art von Theosophie hinwendete, die er dann, allerdings ohne von seinen Zeitgenossen verstanden zu werden, in seiner «Philosophie der Mythologie» und in seiner «Philosophie der Offenbarung» zum Ausdrucke brachte, die aber schon lebte in jener Abhandlung, die er in Anlehnung an Jakob Böhme geschrieben hat über die menschliche Freiheit und andere damit zusammenhängende Gegenstände, schon lebte in seinem Gespräche «Bruno oder über das göttliche und das natürliche Prinzip der Dinge», namentlich lebte in seiner schönen Abhandlung «Über die Gottheiten von Samothrake», wo er ein Bild aufrollte von dem, was nach seiner Ansicht wirklich gelebt hat in jenen alten Mysterien." (Lit.: GA 273, S. 61)

"Eine der besten Ausführungen in Schellings «Philosophie der Offenbarung » ist, daß er darauf hinweist, daß es beim Christentum weniger ankommt auf irgendeine Lehre, als auf die Auffassung einer Tatsache. Was geschehen ist am Ausgangspunkte des Christentums, das ist eine Tatsache. Wenn man nur von einer Lehre spricht, dann wird man sehr leicht verleitet werden können, auf diese Lehre hin dogmatisieren zu wollen. Wenn man sich aber über die Entwickelung der Menschheit klar ist, so muß man sich sagen: Lehren sind in lebendiger Fortentwikkelung; Lehren schreiten, so wie die Menschheit selber, fort. Tatsachen stehen natürlich an der Stelle der geschichtlichen Entwickelung, an der sie geschehen sind." (Lit.: GA 332a, S. 143)

Werke

  • Über die Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt (1794),
  • Vom Ich als Princip der Philosophie oder über das Unbedingte im menschlichen Wissen (1795), (online; PDF; 440 kB)
  • Abhandlung zur Erläuterung des Idealismus der Wissenschaftslehre (1796),
  • Ideen zu einer Philosophie der Natur (1797),
  • Von der Weltseele (1798),
  • System des transcendentalen Idealismus (1800),
  • Über den wahren Begriff der Naturphilosophie und die richtige Art ihre Probleme aufzulösen (1801)
  • Philosophie der Kunst (Vorlesung) (1802/1803)
  • Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums (1803) (Digitalisat und Volltext)
Nachdruck: Hamburg: Meiner, 1974 (Phil.Bibl.275)
  • System der gesammten Philosophie und der Naturphilosophie insbesondere (Nachlass) (= „Wurzburger-“ oder „1804system“) (1804)
  • Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit (1809),
  • Clara – Über den Zusammenhang der Natur mit der Geisterwelt. Ein Gespräch, Fragment (Aus dem handschriftlichen Nachlass, wohl zwischen 1809 und 1812)
  • Weltalter (1811: es gibt noch andere Versionen dieser Schrift),
  • Darstellung des philosophischen Empirismus (1830, nur aus dem Nachlass bekannt),
  • Philosophie der Mythologie (Vorlesung) (1842),
  • Philosophie der Offenbarung (Vorlesung) (1854).
  • Philosophie der Kunst (1859) (Digitalisat und Volltext)
Neuausgaben
  • Vorlesungen über die Methode (Lehrart) des akademischen Studiums. Hrsg.v. Walter E. Erhardt. Meiner, Hamburg 1990. ISBN 3-7873-0972-1
  • Das Tagebuch. Hrsg. v. Hans Jörg Sandkühler. Meiner, Hamburg 1990. ISBN 3-7873-0722-2
  • System des transzendentalen Idealismus. Hrsg. v. Horst D. Brandt u. Peter Müller. Meiner, Hamburg 2000. ISBN 3-7873-1465-2
  • Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände. Hrsg. v. Thomas Buchheim. Meiner, Hamburg 2001. ISBN 3-7873-1590-X
  • Zeitschrift für spekulative Physik. Hrsg. v. Manfred Durner, 2 Bde. Meiner, Hamburg 2002. ISBN 3-7873-1694-9
  • Bruno oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge. Ein Gespräch. Hrsg. v. Manfred Durner. Meiner, Hamburg 2005. ISBN 3-7873-1719-8
  • Philosophie der Offenbarung. Hrsg. v. Manfred Frank, Frankfurt/ Main: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 181, 1977. ISBN 3-518-27781-2
  • Historisch kritische Ausgabe, 40 Bände (Reihe I: Werke, II: Nachlass, III: Briefe). Hrsg. im Auftrag der Schelling-Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften v. Thomas Buchheim, Jochem Hennigfeld, Wilhelm G. Jacobs, Jörg Jantzen u. Siegbert Peetz. Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 1976 ff., ISBN 978-3-7728-0542-4
  • Die Weltalter, mit einem Essay von Slavoj Žižek, im Laika-Verlag als Slavoj Žižek / Friedrich Wilhelm J. von Schelling: Abgrund der Freiheit, ISBN 978-3-942281-57-7

Siehe auch

Literatur

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Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz
Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com. Freie Werkausgaben gibt es auf fvn-rs.net, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und
Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.
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Weblinks

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Einzelnachweise

  1. Nähere Angaben z.B. in: Rudolf Steiners Weg in die Philosophie: zentrale Stationen einer intellektuellen Biographie (Teil 3), 1879-1883: Begegnung mit dem deutschen Idealismus, Abschnitt Schelling. Ein Aufsatz von Christian Clement im Egoistenblog: http://egoistenblog.blogspot.de/2015/02/rudolf-steiners-weg-in-die-philosophie.html (1. Febr. 2015).
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